Vom „Das Fröschlein im Bett“, bis zum „Das süße Hasi“ – erotische Stücke begeisterten im Wien des beginnenden 20. Jahrhunderts. Als „Welthauptstadt der Erotik“ – wie es in der aktuellen Aufführung des Stückes „Das Höschen der Baroness“ heißt – kokettierte und poussierte man bis zum Exzess in intimen Etablissements ebenso wie in dunklen Hausecken und geöffneten Parkanlagen (vor allem der nächst dem Theater gelegene Prater wurde zum Ort so manchen Skandals). Den Bruch der vorherrschenden prüden Moralvorstellungen bekamen zumeist jedoch nur die Frauen zu spüren – oder wie es Paul Spittler eine der Schauspielerinnen sagen lässt: „Sie trifft die volle Schwere der sittlichen Entrüstung“.
In seinem Theaterfilm „Das Höschen der Baroness“ montiert der Regisseur Szenen des in der Zensurbehörde in St. Pölten vorliegenden Original-Stückes mit Zitaten und Erläuterungen aus Texten damaliger Zeitgenossen und liefert damit eine Art Sittenpanorama der Zeit. Die misogynen (und in seiner Zeit äußerst populären) Ausführungen Otto Weiningers treffen – gefolgt von den Theorien Sigmunds Freuds – auf Auszüge aus feministischen Texten von unter anderem Rosa Mayreder und Auguste Fickert. Historische Begebenheiten aus der Geschichte des zweiten Bezirks und der Vorgängerinstitutionen des Hamakom Theaters werden mit Strindbergs eingeführtem Begriff des intimen Theaters – welches es ermöglichen sollte im intimeren Rahmen innere gesellschaftliche Konflikte besser darstellen zu können – in Beziehung gesetzt und alles in allem zu einem unterhaltsamen und betont kurzweiligen Abend verstrickt.
Zu erleben ist dieser mal bunt, mal in schwarz-weiß gehaltene kaleidoskopisch wirkende Trip zwischen dem Einst und dem Jetzt noch bis 22. Dezember im als Kino fungierenden Theatersaal. Gelegentlich mischen sich die (Film-) Schauspielerinnen unters Publikum, was in einem, neben seiner tatsächlichen körperlichen Präsenz vor Ort, doch noch einiges an Theaterfeeling aufkommen lässt. Geplant war ursprünglich ein Stück mit besonderer Publikumsnähe zu inszenieren, doch Corona machte dem einen Strich durch die Rechnung, das Konzept wurde geändert und in nur zwei Tagen – aufgenommen in den Räumlichkeiten des Theaters und in Straßen des Bezirks – zum Film vollendet. Nach der Öffnung entschied man sich gegen das Streamen. Zum Glück, das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen und das Hamakom Theater präsentiert sich einmal mehr als eine mit reichlich interessanter Historie ausgestattete Bereicherung der Wiener Kulturlandschaft. Ein Ort mit Charme, Patina und jeder Menge kreativer Energie.
Das Höschen der Baroness
Ein intimer Theaterfilm
Weitere Termine: 19. bis 22. Dezember 2021
Mit Nadine Quittner, Sebastian Pass und Martina Spitzer
Theater Nestroyhof Hamakom
Nestroyplatz 1, 1020 Wien
www.hamakom.at
Titelbild: Historische Aufnahme / Symbolfoto „Das Höschen der Baroness“
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